Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld forderte den Deutschen Bundestag auf, „die Rechtmäßigkeit an den deutschen Grenzen wieder herzustellen“. Sie behauptete, seit dem 5. September 2015 herrsche in Deutschland ein Ausnahmezustand, ausgelöst durch die Entscheidung von Kanzlerin Merkel, die Grenze zu öffnen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), stellte am 8. Oktober 2018 im Petitionsausschuss klar, die Grenzen im Schengen-Raum seien bereits vorher offen gewesen und wies den Vorwurf zurück, durch die Aufnahme der Flüchtlinge aus Ungarn in jener Nacht sei Recht gebrochen worden.
Christian Lindner, der Angela Merkel 2015 für ihre Flüchtlingspolitik früh kritisiert hatte, teilt diese Auffassung. Am 18. Oktober 2018 erläuterte er im Interview-Podcast „Alles gesagt?“ der ZEIT: „Es wird ja immer gesagt, Frau Merkel habe rechtswidrig gehandelt – hat sie nicht. Die Dublin-Verträge lassen zu, dass ein Land souverän entscheidet, wir treten ein in die Verpflichtung eines anderen Mitglieds der Europäischen Union. Und das machen wir aus humanitären Gründen an diesem Wochenende, weil wir die Zustände, die wir dort am Bahnhof sehen, nicht zulassen können. Das halte ich für richtig und vertretbar.“ Gleichzeitig machte Lindner deutlich, dass die Regelung zu lange Bestand hatte: „Aber am Montag hätte man sagen müssen: Ab jetzt gelten die alten Dublin-Regeln. Wir weisen ab jetzt wieder an der deutschen Grenze Asylbewerber aus europäischen Nachbarstaaten ab.“
Tatsächlich wurde der Ausnahmezustand an den deutschen Grenzen im März 2016 beendet. Durch das EU-Türkei-Abkommen wurde sichergestellt, dass man von der Türkei aus nicht mehr über die Ägäis nach Griechenland gelangt – und von dort nach Deutschland. Und die Balkanroute wurde von Süden aus geschlossen, indem Slowenien, Kroatien, Serbien und Montenegro beschlossen, nur noch Flüchtlinge mit gültigen Reisepässen einreisen zu lassen, die in dem jeweiligen Land Asyl beantragen wollten. Die Grenzen im Schengen-Raum sind weiterhin offen, aber die Anzahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist drastisch gesunken. Im Rekordjahr 2015 kamen 890.000 Flüchtlinge zu uns. 2016 waren es noch rund 280.000. Im Jahr 2017 wurde mit knapp 187.000 in etwa wieder das Niveau von 2014 erreicht.
Obwohl Frau Lengsfeld diese Entwicklungen in den letzten Jahren ignoriert hat, wurde mit ihrer Petition in den sozialen Netzwerken erfolgreich Stimmung gemacht. Angestachelt von diesem Propaganda-Coup hat ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten eine Petition gegen den UN-Migrationspakt verfasst, die ebenso realitätsfern war, falsche Behauptungen enthielt und Angst schürte. Dabei gehören Anliegen von Fraktioen eigentlich ins Plenum des Bundestags.
Wenn eine Fraktion ein Gremium, welches speziell als Ansprechpartner für die Bürger da ist, dazu ausnutzt, um Stimmung für ihre populistische Politik zu machen, dann ist das einfach nur schäbig. Hierdurch hat sie die Arbeit des Ausschusses maßgeblich beeinträchtigt. Ziel war es, möglichst öffentlich andere Fraktionen dazu zu zwingen, ihren Anträgen zu folgen, und wenn das nicht passierte, diesen Fehlverhalten vorwerfen zu können. Mehrere Wochen lang waren wir damit beschäftigt zu verhindern, dass dem Ausschuss durch diese Aktionen Schaden zugefügt wird. Es gab in jeder Obleuterunde des Petitionsausschuss immer wieder neue Diskussionen.
Eigentlich gibt es klare Regeln, an die sich stets alle gehalten haben. Jetzt aber wurden diese Regeln von der AfD zum eigenen Nutzen auslegt. Es war ein Lehrstück darüber, wie Populisten Politik machen. Jedenfalls dann, wenn man so reagiert, wie es erwartet wird. Eine Erfahrung die mir zeigt: Gelassenheit hilft dabei, ein Bashing durch Radikale auszuhalten. Denjenigen, die immer sagen, man müsse mit der AfD auf Augenhöhe agieren, sei gesagt: Diese Fraktion nutzt jedes Entgegenkommen oder Nachgeben hemmungslos aus. Ich werde auch in Zukunft nicht über deren Stöckchen springen, sondern mich weiter konsequent für die Bürger unseres Landes einsetzen.